Bürgerliche Stiftungen

 

Bürgerliche Stiftungen findet man nicht nur im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts verstärkt. Schon Jahrhunderte vorher hat es immer wieder „Wellen“ von bürgerlichen Stiftungen gegeben, die Ausdruck wachsenden bürgerlichen Selbstverständnisses und erhöhter ökonomischer Stärke des städtischen Bürgertums waren. Grundgedanken aller dieser Stiftungen waren fürsorgliche Motive für die Armen der Stadt, mit denen das Bürgertum in engem lokalen und sozialen Kontakt stand. Anlässe für diese Stiftungen waren sehr unterschiedlich und reichten von Frömmigkeitsmotiven über Wahrung des Totengedächtnisses, das Erkennen von Notstandslagen in der Kommune bis zu durch persönliche Erfahrungen geprägte Motive. Stiftungen waren auch eine Prestige-Frage.

 

Die Wohltätigkeit floss in Form der Erhaltung der sozialen Ruhe wieder zurück für die Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung und zum geregelten Fortgang der wirtschaftlichen Entwicklung.

 

Vorbild für die bürgerlichen Stiftungen waren auch die fürstlichen Stiftungen. Sicher spielt dabei das Bewusstsein des Bürgers, es dem Herren gleichtun zu können, eine große Rolle.  Die Verwaltung dieser Stiftungen oblag ebenfalls der Stadtverwaltung.

 

Am 11. Januar 1824 setzte der Lichtensteiner Kaufmann Böttger sein Testament auf. Da er kinderlos starb, verfügte er im Andenken an seine früh verstorbene Tochter, sein Vermögen in eine Waisenstiftung einzubringen- die Böttger`sche Waisenanstalt. Das Ziel der Stiftung war die Erziehung und Ausbildung verwaister Kinder aus Lichtenstein und Callnberg. Die Vorgehensweise bei der Unterstützungsgewährung erfolgte analog der fürstlichen Waisenstiftung. Es wurden ebenso Kontrakte über Verpflegung und Erziehung geschlossen, Erklärungen zur Unterstützung von alleinstehenden Müttern und Lehrverträge mit Handwerksmeister ausgestellt.

 

Es handelte sich um eine der größten bürgerlichen Stiftungen zur Wohlfahrtpflege in Lichtenstein.

 

Im Jahre 1924 werden in einer Liste der Stadtverwaltung 58 bürgerliche wohltätige Stiftungen aufgeführt. Unter diesen werden besonders hervorgehoben die „Stengelsche Waisenstiftung“, die 1882 entstand. Eine weitere Stiftung war die „Neugebaurische Stiftung“. Der Stumpfwirkermeister Neugebauer stiftete darin einen Betrag, dessen Zinsen jährlich zum Ankauf für Schreibpapier für die Mädchenschule genutzt werden sollte.

 

Eine Stiftung für arme ältere Menschen war die „Metzner – Stiftung“. Diese Stiftung existierte von 1885 bis 1934. Begründet wurde sie durch den Handelsmann Christian Metzner. Bedürftige ältere Bürger erhielten aus dieser Stiftung finanzielle Zuwendungen.

 

Der 1884 verstorbene Seifensiedermeister Laux hinterließ 1500 Mark für die „Bernhard-Laux-Stiftung“. Aus dem Zinserlös sollten jährlich drei arme ältere Männer aus Lichtenstein unterstützt werden. Um die Einseitigkeit auszugleichen, übergab die Witwe Laux weitere 1500 Mark für diese Stiftung, die nun drei armen älteren Frauen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stand.

 

Die Zuteilung der Unterstützung aus allen Stiftungen oblag dem Armenausschuss der Stadtverwaltung.

 

Angela Schramm

 

(Quelle: Angela Schramm, Diplomarbeit, Technische Universität Chemnitz, Chemnitz 1999)