Das Julienhospital

von Patrick Bochmann

 

In der Mitte des 19. Jahrhunderts musste dem Fortschritt der Medizin mit der Einrichtung von Krankenhäusern auch in den Schönburgischen Landen Rechnung getragen werden. Zuvor war die Versorgung meist über Hospitäler in kirchlicher Trägerschaft und über „niedergelassene“ (Armen-) Ärzte abgesichert.

 

Fürst Otto Victor I. von Schönburg- Waldenburg (1785 – 1858) betätigte sich umfangreich auf sozial-caritativem Gebiet mittelsvieler Stiftungen. Zahlreiche Hospitäler entstanden auf seine Initiative, so in Waldenburg, Oberlungwitz, Hartenstein Lößnitz und Mülsen.

Für Lichtenstein begannen die Vorbereitungen zur Gründung eines Krankenhauses am 30. Juli 1842. Amtslandrichter Werner in Lichtenstein wurde mit der Ermittelung eines passenden Platzes beauftragt. Das direkt an das Armenhaus angrenzende Grundstück schien geeignet: „Der von Wernern vorgeschlagene Platz erscheint zur Errichtung einesKrankenhauses vorzüglich geeignet, die Entfernung bis in die Mitte der Städte Lichtenstein und Callnberg beträgt je ca. ¼ Stunde und bis in die Mitte der beiden Dörfer Hohndorf und Rödlitz je ca. ½ Stunde.“ 1

Am 26. Mai 1843 wurde die Stiftungsurkunde verfasst. Das Unterhaltungs- (Stamm-)kapital von Fürst Otto Victor I. von Schönburg-Waldenburg betrug 10.000 Taler.

Schnell konnte der Neubau in die Tat umgesetzt werden, womit für Lichtenstein erstmalsein von der fürstlichen Verwaltung initiierter Neubau eines Krankenhauses realisiert wurde und die Be- zeichnung „Krankenhaus“ auch verdiente. Die Benennung der Hospitäler in den Schönburgischen Landen erfolgte in Andenken an verstorbene schönburgische Familienmitglieder – für Lichtenstein war die Schwester des Stifters, Juliane Ernestine von Schönburg-Waldenburg, die Na- mensgeberin. Die Stiftungsurkunde des Julien-Hospitals regelteden Zweck der Anstalt: es sollten heilbareKranke Aufnahme, Verpflegung und ärztliche Be handlung erhalten. Aufnahmeberechtigt wiederum waren nur Einwohnervon Lichtenstein und Callnberg, Hohndorf, Rödlitz, Bernsdorf und Rüsdorf.

Am 24. Juni 1844 eröffnete das Julien- Hospital. Das Gebäude und die Einrich tungsgegenstände wurden der Verwaltungsbehörde, dem Stadtrat zu Lichtenstein, übergeben und mussten mit den Zinsender Stiftungssumme erhalten werden. Dazu gründete sich ein Komitee „gemeinsinniger Bürger“, woraus sich späterder „Julien-Hospitalverband“ unter dem Vorsitz des jeweiligen Lichtensteiner Bürgermeisters entwickelte.

Im Hospital gab es sechs Krankenstuben mit insgesamt 15 Betten bestehend aus „15 eisernenBettstellen mit 15 Strohsäcke mit Ueberzug von grauer starker Leinwand, 15 dergl[eichen] Keilkissen sowie 15 Matratzen von Waldmoos.“2

Neben jedem Bett befand sich ein Betttischchen, je ein Stuhl und ein Fußbänkchen. Das Hospital stellte auch die Kleidung für die Patienten. Über dem Bett hingeine Tafel, auf welcher der Name des Kranken, der Tag seiner Ankunft,die Bezeichnung seiner Krankheit und die täglich zu verabreichenden Speisenvermerkt war. Ein besonderes Augenmerk legte der Stifter auf die Auswahl der Ärzte. Dazu sicherte er sich das Privileg, diese selbst auswählen zu dürfen ohne Rücksicht auf den Stadtrat Lichtensteins nehmen zu müssen. Auch die Möglichkeit der Entlassung des Arztes bei unzureichender Eignung behielten sich der fürstliche Stifter und seine Nachkommen vor.

Ärzte des Julien-Hospitals in Lichtenstein waren:

 

1845 – 1850 Dr. Friedrich Wilhelm Deutschebein

1851 – 1853 Dr. Johann Karl Emanuel Klotz

1853 – 1855 Dr. Johann Karl E. Reichardt

1856 – 1860 Dr. Franz Eduard Röber

1860 – 1886 Dr. Carl Theodor Albert Matthé

1886 – 1890 Dr. Georg Moritz Zenker

1891 – 1902 Dr. Carl Friedrich Elsperger

1902 – 1921 Dr. Albert Geisler

 

Eine erste Hausordnung für das Julien- Hospital ist vom 7. Oktober 1844 überliefert. Danach musste die Patientenaufnahme schriftlich beantragt werden und sowohl vom Arzt als auch vom Stadtrat genehmigt werden. Außerdem hatte der Hospitalarzt täglich eine Visite durchzuführen. Bereits damals wurde explizit die Kostenfrage erörtert, jedes Rezept für einen Aufgenommenen musste durch den Rechnungsführer des Julien-Hospiales geprüft werden. Im Hospital befand sich auch eine „Medikamentensammlung“, die Lieferung erfolgte durch die Lichtensteiner Apotheke.

Die Patienten wareninnerhalb des Hospitals nach Geschlecht getrenntund wegen damals vielfältiger unheilbarer Infektionskrankheiten nach den Krankheitsbildern. Letztere waren ähnlich den Heutigen. Infektionskrankheiten überwogen, Krebserkrankungen werden kaum genannt. Als Krankheit galt auch Altersschwäche (Alter ab 60 Jahre!) „Alkoholismus und Säuferwahnsinn“ waren häufig wie auch die Krätze mit ca. 30 Fällen pro Jahr.

Trotz Erkrankung bestand für die Patienteneine Beschäftigungspflicht: Frauen hattenzu Nähen und zu Stricken,Männer hingegen musstenHausarbeiten erledigen. „Freizeit-beschäftigungen“, z. B. das Karten- und Würfelspielen, waren untersagt. Nur Mittwoch- und Sonntagsnachmittags durften die Kranken besucht werden, nachdem sie zuvor eine ärztliche Erlaubnis eingeholt hatten.

Die Regelung des Verhaltens bei Sterbefällen war wegen des allgegenwärtigen Scheintodes bedeutsam. Der Leichnam mussteunbedingt im Bett verbleiben, bis der Hospitalarzt kam. Dann konnte die Leiche mit einem aus- gepolsterten Korb in die im Hospitalvorhandene Leichenkammer – die geheiztwar – verbracht werden.

 

„Sie haben daher fleißig nachzusehen, ob an den Leichen keine Veränderungen wahrzunehmen, welche auf Spuren des wiedererwachenden Lebens hindeutenund wenn sich diese zeigen, unverzüglich nach dem Arzte zu schicken.“ 3

Neben den Ärzten gab es im Julien- Hospital Krankenwärter, die zusammen mit ihren mit ihren Ehefrauen die Aufsicht über das Haus führen und „alle die Oekonomie des Hauses betreffenden Geschäfte“4 tätigen mussten. Dazu gehörte auch die Verpflegung für die Kranken, die die Domäne der Ehefraudes Krankennwärters war. Bier und Wein wurden nur in besonderen Fällenauf ausdrückli che Anordnung des Arztes ausgereicht!

Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich dasJulien-Hospital in einemschlech- ten Bauzustand. Als Obermedizinalrat Dr. Gelbke 1912 eine Besichtigung durch- führte, stellte er ausgeprägte hygienisch- sanitäre Mängel und Übelstände fest.

Aus Geldmangel scheiterte sowohl eine Modernisierung als auch ein geplanter kompletter Neubau eines Krankenhauses. Die für eine zeitgemäße und den hygienischen Anforderungen genügende Betreibung eines Krankenhauses dringend erforderlichen Modernisierungsarbeiten waren nicht mehr umsetzbar.

Im Herbst 1921 erkannte der Stadtrat Lichtenstein, dass das Julien-Hospital nicht mehr zu halten war, zum 1. Januar 1922 wurde der Krankenhausbetrieb endgültig eingestellt, das Haus für Woh- nungen umgebaut. 1936 kam ein Vertrag mit dem Betreiber des Krankenhauses, der Amtshauptmannschaft Glauchau zu Stande, welcher derselben einen Nießbrauch und damit die kompletteVerwaltung und Instandhaltung des Gebäudes einräumte. Die Stadt Lichtenstein blieb Grundstücks- und Gebäudeeigentümer. Bis zum 10. Januar1989 wurde das Julienhospital durch das Kreiskrankenhaus Lichtenstein verwaltet und bis 1994 an Mitarbeiter als Dienstwohnungen vermietet.

Seit 2013 wird das Julien-Hospital wieder medizinisch genutzt: es beherbergt eine Praxis für Lern- und Ergotherapie sowie eine Praxis für Allgemeinmedizin. Damitist der ursprüngliche Stiftungsge- danke von Otto Victor I. von Schönburg- Waldenburg wieder erfüllt.

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Quellennachweis:

 

1 Sächsisches Staatsarchiv Chemnitz (StAC): 30593 Herrschaft Waldenburg, Nr. 0097, Errich- tung und Einrichtung des Julien-Hospitals in Lichtenstein, Bd. 1, Bl. 1.

2 Ebenda, Bl. 120 –127.

· StAC:30593 Herrschaft Waldenburg, Nr. 0099, Errichtung und Einrichtung des Julien-Hospitals in Lichtenstein, Bl. 9ff; Staatsarchiv Leipzig (StAL), Sig. 1.II.7a.11 Urkunden des Julienhospi- tals, Bd. 1 – 2.

StAC: 30593 Herrschaft Waldenburg, Nr. 0099,Errichtung und Einrichtung des Julien-Hospitals in Lichtenstein, Bl. 9ff; StAL, Sig. 1.II.7a.11, Ur- kunden des Julienhospitals, Bd. 1 – 2.

 

 


Ergänzung:

Dieser Beitrag ist eine stark gekürzte Fassung einer umfangreichen Dokumentation von

Patrick Bochmann. Er ist Facharzt für Allgemeinmedizin und  erwarb das Gebäude des ehemaligen Julienhospitals und richtete dort seine Arztpraxis ein.

Als Mitglied des Vereins für Geschichte der Stadt Lichtenstein erforschte er die Geschichte des Julienhospitals, hielt Vorträge und erstellte die genannte Dokumentation. Eine gekürzte und illustrierte Ausgabe davon können Sie auch in der Reihe "Lichtensteiner Hausgeschichten"  (Nr. 40) im Museum der Stadt erwerben.

(siehe hierzu diesen Link)

 

Weitere Informationen entdie Schrift des Freundeskreises des Museums der Stadt Lichtenstein des Jahres 2015 mit dem Titel "Nur die Taten zählen" zu den Stiftungen von Otto Victor I.

 


Bezirksanstalt - Kreisstift

von Patrick Bochmann

 

Die Bezirksanstalt war sowohl ein Altersheim als auch eine Besserungs-, und Erziehungsanstalt. Der Ortsarmenverband führte die Menschen zu. Aufnahmegründe für Pfleglinge waren bspw. Geisteskrankheit, Altersschwäche, Epilepsie, Bewahrung vor Verwahrlosung oder auch einfach nur Hilfsbedürftigkeit. Die zu „Bessernden“ (sog. Correktionäre) kamen bspw. neben Arbeitsscheu und Trunksucht noch wegen Vagabondieren, unterlassener Fürsorge für die Familie oder unsittlichen Lebenswandel in die Anstalt.

 

Seit 10/1875 plante man diese Einrichtung, aus Geldmangel war aber erst 1886 Baubeginn. Das gesamte Gelände war von einer Mauer umgeben; der „5 m breite Weiberhof“ war besonders „eingefriedet“. Zudem wurden Grünanlagen, Gemüsegärten und eine Baumschule gebaut. Nach der Fertigstellung am 28.01.1888 erfolgte am 05.05.1888 die Weihe der Anstalt. Zwei Tage später wurde die Bezirksanstalt zu Lichtenstein eröffnet.

 

Die Verwaltung erfolgte durch einen alle 3 Jahre neu gewählten ehrenamtlichen Vorstand. Dieser durfte auch Disziplinarmaßnahmen anordnen, welche dann Aufseher bzw. Aufseherinnen durchführten. Als Strafen waren möglich: „Verweis, Verbot der Befugniß des Tabakrauchen, Arrest bis zu 14 Tagen“ aber auch „körperliche Züchtigung bis zu 30 Ruthenhieben“. Vergehen, die zu den vorgenannten Strafen führten waren zum Beispiel „flegelhaftes Betragen gegen Mitinsassen, achtungswidriges Betragen gegen den Aufseher, Arbeitsverweigerung [!],und selbstverständlich auch die simple „Entweichung“, was nicht selten vorkam.

 

Die städtische Armenkasse finanzierte alles - Kleidung, Möbel, Essen, Krankenpflege und ggf. sogar Beerdigungskosten - mittels Steuereinnahmen, dazu zählten die Hundesteuer und bezeichnenderweise auch die „Abgaben für Schaustellungen, Musikaufführungen und sonstige Lustbarkeiten und schließlich Strafgelder […] bei Uebertretungen öffentlicher Belustigungen.“

 

Die Insassen arbeiteten als handwerker oder in der Garten- und Feldwirtschaft im Anstaltsgelände und betrieben eine Schweinemast. Die Bezirksanstalten waren weniger Heilanstalten als mehr Arbeitsanstalten. Das Verhalten der Insassen regelte die Hausordnung. „Jeder Häusling hat sich der größten Ordnung und Reinlichkeit, sowohl in Bezug auf seinen Körper und seine Kleidung, als auch in Betreff aller Geräthschaften und Räumlichkeiten in der Anstalt zu befleißigen.“ Aus hygienischen Gründen waren Bärte untersagt, „Correktionären“ wurden die Haare kurz geschnitten. Es bestand Alkoholverbot und Geldverbot.

 

In den Jahren 1888-1938 wurden insgesamt 2213 Menschen aufgenommen. 1912 sollte die Bezirksanstalt wegen Platzmangels um 2 neue Siechenhäuser erweitert werden; die Gebäude wurden errichtet, aber dann doch nicht umfangreich von der Anstalt benutzt. Daraus entwickelte sich ab 1922 das Knappschaft-Krankenhaus. Am 05.05.1913 konnte das 25jährige Jubiläum der Anstalt begangen werden; am 01.09. des gleichen Jahres besuchte der sächsische König Friedrich August III. (1865-1932) die Bezirksanstalt in Lichtenstein. Nach ihm wurde diese fortan als „König-Friedrich-August-Stift“ bezeichnet.

 

Am 01.10.1932 wurde die Verwaltung des Bezirksstiftes mit der des Krankenhauses zusammengelegt. Damit hörte die Bezirksanstalt als eigenständige Einrichtung auf zu existieren. Mit der Einrichtung einer Krankenstation für chronisch-Kranke in der Bezirksanstalt am 15.05. 1935 erfolgte auch eine Trennung der Kranken von den Altenheimbewohnern, welche noch zahlreich in der Bezirksanstalt lebten: 1938 waren 24 Bewohner über 10 Jahre in der Anstalt wohnhaft, einer lebte über 20, drei über 25, zwei über 30 und einer lebte sogar über 40 Jahre in der Bezirksanstalt.

 

Nach Kriegsende 1945 wurde in der 1. und 2. Etage wieder ein Pflegeheim eingerichtet. Dieses bestand bis zur Fertigstellung des neuen Pflegeheimes in Heinrichsort 1961.

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Die Poliklinik

 

Am 01.07. 1948 wurde auch in Lichtenstein relativ früh eine Poliklinik gemäß dem SMAD-Befehl Nr. 272 vom 11.12.1947 gegründet.

 

Zunächst begann man mit nur zwei Fachrichtungen (Innere und Chirurgie) in 2 Räumen; die Sprechstunden erfolgten durch die Krankenhausärzte. Seit 1953 war in dem Gebäude auch die neugegründete Kinderklinik untergebracht, die Poliklinik wurde mit pädiatrischen Sprechstunden erweitert. Im gleichen Jahr wurde die Chirurgie vergrößert.

 

Die Pflegedienstleitung hatten die Oberschwestern Cläre Held, Jutta Schramm und bis März 1991 Wiltrud Nobis. Neben den ökonomischen Leitern gab es seit einem Bezirkstagsbeschluss 1969, der die Trennung von Kreiskrankenhaus und Poliklinik vorsah, auch eigene ärztliche Direktoren: 1970-1975 MR Dr. med. Schaal, 1975-1990 Dr. med. Reinhard Schaumberg, 1991 Dr.med. Hanna Gabel.

 

Im Laufe der Jahre wurden in der Poliklinik immer mehr medizinische Fachdisziplinen angeboten: Innere, Rheumatologische Sprechstunde, Diabetikerberatung, Allgemeinmedizin, Chirurgie, Kinderheilkunde, Gynäkologie, Schwangerenberatung, HNO, Neurologie, Psychologische Beratungsstelle (Außenstelle), Orthopädie, Dermatologie.

 

1961, nach dem Umzug des Pflegeheimes nach Heinrichsort, wurde die Einrichtung umfangreich modernisiert und erweitert.

 

Mit der Umwandlung des Gesundheitswesens nach der Wiedervereinigung wurde die Poliklinik 1991 geschlossen. Die geplante Kinderkrippe Glauchauer Str. wurde als Ärztehaus umfunktioniert.